Ein Plan der Bundesregierung, um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu locken, sorgt für Kontroversen. Meine Meinung ist da ziemlich klar.
Ziemlich viele Langzeitarbeitslose in Deutschland. Rate mal, wie viele… Achtung, hier kommt die Antwort: 967.800 Menschen. Dass das eine große Zahl ist, findet offenbar auch die Bundesregierung. Bei ihr kursierte folgender Vorschlag:
- Langzeitarbeitslose erhalten 1.000 EUR einmalige “Anschubfinanzierung”, quasi Prämie, wenn sie…
- … über 12 Monate lang einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgegangen sind
Ein klassischer Anreiz, also: Bitte, bitte, bitte fang an zu arbeiten, du bekommst sogar 1.000 EUR geschenkt. Die Chancen stehen gut, dass sich das bei einigen verfängt.
Der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten. Charmanterweise aber aus unterschiedlichen Gründen:
- Der CSU-Generalsekretär Martin Huber nennt es “blanken Hohn” für die Arbeiter, die ja immerhin keine Prämie für erhalten. Das gefährde sogar den “sozialen Frieden”
- Von der linken Seite der Grünen heißt es, dass es die Prämie gar nicht erforderlich sei, weil die meisten Bürgergeldbezieher:innen sowieso einen Job annehmen würden, sobald sie “die Chance dazu” erhielten
- Und die FDP verweist ganz klassisch darauf, dass die Ausgaben sowie schon zu hoch seien
Erst einmal die einfachen Punkte: Das zweite Argument halte ich für Unfug. 967.800 Arbeitslose ist keine Kleinigkeit, kein Rundungsfehler. Dazu kommt, dass die Arbeitslosenzahlen ja nur die Menschen umfassen, welche dem Arbeitsmarkt theoretisch zur Verfügung stünden, also nicht z.B. wegen Erkrankungen definitiv herausgefallen sind. Ob die “meisten” Bürgergeldbezieher:innen also Jobs annehmen, ist trivial, wenn es hier um die Million geht, die es offenkundig nicht tut.
Dem dritten Argument würde ich meine Erfahrung im Umgang mit Firmen entgegenhalten: Vakanzen sind auf lange Sicht viel teurer als die Maßnahmen, die ein Unternehmen fährt, um Talente zu finden und aktiv anzuwerben. Volkswirtschaften sind zwar nicht Firmen, aber hier hält dieselbe Logik: Den Fachkräftemangel zu lindern wird uns viel mehr Geld sparen (bzw. einbringen) als eine Anreizmaßnahme (welche überhaupt erst nach einer sinnvollen Erfolgsmarke greift!) kosten wird. Das weiß ja eigentlich auch die Bundesregierung samt FDP, deren neuestes Konjunkturpaket zum allergrößten Teil darüber funktioniert, dass es das Arbeitsangebot erhöhen soll. Also, her mit der Kohle!
Bleibt das erste Argument. “Fairness” - tja, bei dem Thema kann und darf jede:r fühlen, wie er oder sie mag.
Mir geht es folgendermaßen: Klar, es fühlt sich ein wenig seltsam an, wenn anderen eine gar nicht triviale Summe Geld für etwas geschenkt wird, das man selbst tagein, tagaus ganz ohne Prämie durchführt, und zwar seit Jahren. Aber: Wenn damit die Zahl der Langzeitarbeitslosen reduziert und der Fachkräftemangel gelindert wird, dann profitiere ich auch davon. Und es ist nicht so, als würde mir das eingesetzte Geld andernfalls zurückgegeben werden. Ich kann mir so einige dämlichere Verwendungen von Steuergeldern vorstellen, als die Bekämpfung des Fachkräftemangels.
Ginge es also nach mir, hieße es volle Kraft voraus. Leider wirkt es derzeit so, als würde die - wie immer bei so etwas hervorgekramte, mit etwas schockierter Empörung garnierte - Fairnessdebatte einen sinnvollen Vorschlag abwürgen, denn auch in der Regierung wird jetzt lautstark gezweifelt. Na gut, wir können auch stattdessen weiter über den Fachkräftemangel jammern. Vielleicht… hilft das ja auch?